SPENDENBERICHT ERDBEBEN TÜRKEI 2023

Mit diesem Schreiben möchte ich mich bei Ihnen herzlich für die Unterstützung unserer Spendenkampagne „HELP US! 06.02.2023“ bedanken. Ich weiß Ihr Vertrauen sehr zu schätzen, dass Sie in meine Kampagne gesteckt haben. Sie haben mir dadurch die Möglichkeit gegeben, in der Türkei vor Ort den vom Erdbeben betroffenen Menschen zu helfen. Was mit einer kleinen Kampagne startete, entwickelte sich schnell zu etwas Großem. Es kamen bisher mehr als 24.000 Euro zusammen.

Dank Ihrer Hilfe habe ich fast 100 Familien mit Lebensmitteln, Medikamenten und Sachspenden helfen können. Zudem habe ich aus Deutschland sechs Kilo Medikamente in die Stadt Adana gebracht und dort der „World Human Relief Organisation“ übergeben. Diese Organisation arbeitet in der stark betroffenen Region Hatay und hilft dort medizinisch und psychologisch. 

In Adana halfen wir Emres Familie, von dem drei Verwandte starben und die Eltern mussten ihre Wohnung durch starke Beschädigungen aufgeben. Von Adana aus fuhren wir weiter nach Mersin, weil es dort sicherer für uns war, da Mersin nicht als Erdbebenregion eingestuft wurde. Allerdings erlebten wir dort ein Nachbeben der Stärke 4.8. Das mag nicht stark klingen, aber da das Epizentrum nur 7 Kilometer von uns entfernt war, wackelte alles ziemlich stark, zum Glück nur sehr kurz. Der Schock war groß, zumal die Angst der Menschen überall zu spüren war. 

In Mersin trafen wir uns mit den Gründern des Vereins „Karaot Tohum Derneği“. Feray und Sinem leiten den Verein in der Region Izmir und kamen gerade aus der Region Hatay. Der Verein setzt sich seit zwanzig Jahren in der Türkei für nicht genmanipuliertes und ökologisch angebautes Saatgut ein. Sie fuhren in die Dörfer der zerstörten Region und prüften, ob es möglich ist, vor Ort Gemüse einzupflanzen. Bei der Aktion der beiden geht es darum, eine Versorgungskette für die stark vom Erdbeben betroffenen Menschen auf dem Land zu schaffen, damit sie sich selbst versorgen können. Die beiden schafften es dort, über 36 Dörfer zu besuchen und dort die Anzahl der Hilfebedürftigen Familien zu erfassen. Die Region Hatay ist dem Erdboden gleich gemacht. Da es dort keinerlei sanitäre Möglichkeiten für die beiden gab, entschieden wir uns für ein Treffen in Mersin, wo die Eltern meines Freundes die beiden einluden und für sie kochten. Nach gutem Essen und der ersten Dusche nach sechs Tagen besprachen wir mit den beiden die nächsten Schritte. Bei Ihrer Idee geht es um ein langfristiges Projekt, da die Menschen nicht nur im Februar und März Hilfe brauchen, sie werden wahrscheinlich Monate, vermutlich sogar Jahre auf Hilfe angewiesen sein. Durch das selbst angebaute Gemüse können sich die Menschen auf dem Land teilweise selbst versorgen und sind dadurch weniger angewiesen auf Hilfe von außen. Dadurch, dass die Pflanzen keine Hybride sind, können sie ihr eigenes Saatgut Gewinnen. Mit Ihren Spendengeldern habe ich dieses landwirtschaftliche Projekt unterstützt und ich werde auch weiterhin mit den beiden zusammenarbeiten. Beim Abschied füllten wir Sinems und Ferays Auto mit Lebensmitteln für 20 Familien, sodass diese direkt aus erster Hand bei den Besuchen in den Dörfern von den beiden verteilt werden konnten. 

Wir wechselten unseren Standort daraufhin nach Midyat. Die Stadt Midyat liegt in der Region Mardin, ca. drei Autostunden von der Erdbebenregion entfernt. Von dort kamen ca. 8.000 Menschen in die Stadt Midyat. Wir fuhren auch deshalb nach Midyat, weil ich seit fünf Jahren mit den Gründerinnen der Frauenkooperative „Noyanlar Kültür Sanat Evi“ befreundet bin und den beiden Frauen Aysel und Ayse sehr vertraue. Vertrauen war mir bei meiner Arbeit besonders wichtig, da ich mein Versprechen, dass alle Spenden direkt bei den bedürftigen Menschen ankommen, halten wollte. Ayse und Aysel sind zwei Powerfrauen, die sich ihr ganzes Leben für andere Frauen und Kinder einsetzen und dabei auf ihr eigenes bewusst hintenanstellen. Diese Kooperative setzt sich seit Jahren für Frauenrechte, Bildung und die Unabhängigkeit der Frauen in der Region Mardin ein. Durch die in dem Verein erlernte Handwerkskunst erwirtschaften die Frauen ein eigenes Einkommen. Die Frauen in der Kooperative kommen überwiegend aus dem Irak und sind Jesidinnen, die 2014 von dem IS in die Türkei geflohen sind. Außerdem sind es syrische Frauen, die vor dem Krieg in Syrien geflohen sind und hinzu kommen kurdische Frauen aus der Region. Alle zusammen verfolgen das Ziel „Frauen helfen Frauen“. Nach dem Erdbeben verzichteten diese Frauen auf ihre Verkäufe und schneiderten aus verschiedenen Stoffen Pullover, Hosen und Pijamas die sie an Kinder und Frauen aus den Erdbebenregionen spendeten. Eine jesidische Frau sagte zu mir mir: „Ich weiß, wie es ist nichts zu haben, deswegen bin ich froh, wenn ich jetzt helfen kann.” Dieser Satz hat mich sehr berührt. Die jesidische Frau hat ein kleines Einkommen und kommt gerade so über die Runden und trotz dessen gab sie das, was sie geben konnte, weil es andere gab, den es noch schlechter als ihr ging. Sie fragen sich jetzt wahrscheinlich, was dieses Projekt mit dem Erdbeben zu tun hat? Ich habe mit Ayse und dem Rehabilitationszentrum von Midyat mit ausgebildeten Psychologen ein Team gebildet und dann besuchten wir Familien aus den Erdbebenregionen in den jeweiligen Unterkünften/Wohnungen. Wir haben uns angehört, wie die Situationen in den Familien ist, was sie erlebt hatten, haben erste Hilfe leisten können in Form von psychologischer Betreuung, Sachspenden, Lebensmitteln und haben versucht, den Menschen Kraft zu geben und dabei selber die eine oder andere Träne vergossen. Das Leid ist groß und die Trauer sitzt tief, ich erlebte einige sehr traurige und für mich persönlich schwere Momente. Ich hatte weinende Menschen im Arm, die über 20 Familienmitglieder verloren hatten, ein sechsjähriges Kind, welches seine Eltern, Geschwister und noch weitere Verwandte verloren hatte, einen Mann, der mir erzählte, dass seine schwangere Frau in seinen Armen verblutet und starb, Kinder, die ihre Schulfreunde verloren hatten, Mütter, die Ihre Brüder beerdigten, eine Mutter, die sechs ihrer Kinder beerdigt hatte, das Leid ist grenzenlos… Die Frauen aus den Erdbebenregionen unterstützen wir zusätzlich in der Frauenkooperative, wodurch sie Anschluss an das soziale Leben finden und sich in verschiedenen Kursen weiterbilden können.

In der Frauenkooperative gibt es Kurse, die Handarbeit fördern aber auch Alphabetisierungskurse und zusätzlich einen Kindergarten, in dem die Frauen während sie in den Kursen sind, ihre Kinder kostenlos unterbringen können. Mit dieser Kooperation und der Hilfe, die wir dort leisteten und weiterhin leisten, helfen wir den Frauen und Kindern in den Themenbereichen Bildung, Selbständigkeit gegenüber ihren Männern, Kindesentwicklung, soziales Miteinander und landwirtschaftlicher Anbau. Ich habe zusammen mit dem Verein “Karaot Tohum Derneği” ca. 700 Pflanzen zu der Kooperative geschickt. Die Frauen brachten die Saatpflanzen im Garten der Kooperative aus, wir verteilten weitere Pflanzen an Frauen aus den Erbebenregionen und an Frauen, die aus dem Irak und aus Syrien geflüchtet sind und in der Kooperative arbeiten. Dadurch schafften wir einen Mehrwert für alle Frauen zusammen.

Ein Herzensprojekt, was ich zusätzlich mit Ayse zusammen ins Leben gerufen habe, ist die Unterstützung von 20 Kindern in Midyat. In Form eines Schulstipendiums werde ich 20 Kinder zuerst einmal zwei Jahre rund um das Thema Bildung unterstützen. Es gibt tausende Kinder in der Erdbebenregionen die Hilfe brauchen, jedoch reichen die Kapazitäten nicht, um all das Leid vor Ort zu bekämpfen. Deshalb habe ich mich dafür entschieden, diese 20 Kinder intensiv zu unterstützen und zu begleiten. Ich werde durch Ihre Spenden diese Kinder unterstützen, damit sie ihren Träumen für die Zukunft näherkommen können. Auch haben wir einem 16-jährigen Jungen einen Rollstuhl kaufen können, den er dringend gebraucht hat, da er seinen eigenen im Erdbeben verloren hatte.

Einige der Menschen, die gespendet haben, fragten auch, ob es möglich sei, herrenlosen Tieren aus den Erdbebenregionen zu helfen. Daraufhin habe ich das Projekt Barinak Meleği unterstützt. Türkan, eine 27 Jahre alte Tierärztin und bekannte Tierschutzaktivistin in der Türkei, hat seit dem Erdbeben auf ihrer Farm in Marmaris 54 Tiere aus den Erdbebenregionen bei sich aufgenommen. Ihr Hauptziel ist es, ein dauerhaft sicheres Zuhause für diese Hunde und Katzen zu finden. Zurzeit organisiert Türkan die Adoptierung dieser Tiere in das Ausland vor allem nach Europa und Kanada. Im Mai habe ich Türkan in Marmaris besucht und die Tiere kennengelernt. Ich war mit einer Gruppe von Freunden aus Deutschland dort, gemeinsam haben wir zwei Hunde aus der Erdbebenregion Adiyaman nach Deutschland gebracht und dort für beide ein wunderschönes neues Zuhause gefunden. Nun organisieren wir die Vermittlung von weiteren Hunden und Katzen nach Deutschland. Wenn Sie in Zukunft Interesse an einem Hund oder einer Katze haben, bitte geben Sie mir Bescheid, eine Freundin von mir und ich helfen Türkan bei der Vermittlung der Tiere an ihre neuen Besitzer.

Ich habe mich entschlossen, diese Projekte zwei Jahre weiterzuführen. Im Juli fliege ich in den Südosten der Türkei und besuche die Frauenkooperative und die Kinder. Wie schon bisher trage ich alle Reisekosten selbst und mindere die Spenden nicht um meine Aufwendungen. Auf meinem Instagram Kanal – worldculture_travels werde ich weiterhin über die Projekte informieren. Auch sammele ich weiterhin Spenden für die Projekte vor Ort und freue mich, wenn Sie mich die kommenden Jahre weiterhin begleiten, sodass ich die Projekte fortführen kann. Die Projekte sind handfest und ihre Spende geht nicht in eine anonyme Organisation. Es ist möglich, die Frauenkooperative und den Verein Karaot Tohum Dernegi zu besuchen und zu begleiten, lassen Sie es mich wissen, wenn Sie in der Zukunft planen in die Türkei zu reisen.Wir können nicht das Leid der Welt verhindern, aber wir können daran arbeiten, es zusammen zu mindern.

Mit freundlichen Grüßen

Selin Schäfer

Stand 27.06.2023

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